Blind im Kino? Mit CinemaConnect Spaß pur!

Ein Erfahrungsbericht von Martin Kirchner

Sonntag, 01.11.2015, gegen 16:10 Uhr. Ich sitze mitten drin im Saal des Kinos "Mal Seh'n", Adlerflychtstraße 6 in Frankfurt am Main. Das Haus ist seit undenklichen Zeiten für sein Engagement zu Gunsten von Filmwerken außerhalb des Mainstreams bekannt. Doch die haben mich heute nicht hierher geführt; es geht um anderes, nämlich zum einen um den Kinderfilm "Winnetous Sohn" und zum anderen um etwas eher Technisches, nämlich um CinemaConnect, ein von Sennheiser entwickeltes System zur drahtlosen Unterstützung von Kino-Besuchern mit Seh- oder Hörbehinderung. "Winnetous Sohn" wurde unter anderem mit Mitteln der deutschen Filmförderung unterstützt, was per se die Rücksicht auf die Belange seh- und hörbehinderter Publikumsteilnehmer voraussetzt.

Das "Mal Seh'n" hatte sich kürzlich dazu entschieden, die hierfür notwendige Hard- und Software anzuschaffen, nachdem es schon in der Vergangenheit immer mal wieder selbstinitiierte Film-Events mit zusätzlicher gesprochener Bildbeschreibung, übertragen per Lautsprecher oder Kopfhörer, gegeben hatte. Inzwischen laufen solche Bildbeschreibungen unter dem offiziellen Namen Audiodeskription (AD), werden von mindestens zwei Anbietern in Deutschland in professioneller Auftragsarbeit erstellt und zumeist im Rahmen von TV-Sendungen und per separatem Tonkanal verbreitet. Leer aus gingen bisher dabei die Kinos.

Über die App CinemaConnect

Die Firma Sennheiser, seit über 70 Jahren einer der wenigen global Player deutscher Provenienz im Bereich hochwertiger Signalübertragungstechnik und Unterhaltungselektronik, ist nun angetreten, dieses nicht nur für die Kinos, sondern auch für sehgeschädigte Kino-Fans leidige Problem auf verblüffend simple Weise aus der Welt zu schaffen. Sofern ein Kinofilm von Hause aus bereits mit einer Audiodeskriptions-Tonspur ausgerüstet ist, wird diese während der regulären Vorführung des Films einfach über einen im betreffenden Kino selbst installierten Streaming-Server gesendet. Gleiches gilt für eventuell im Filmmaterial eingebundene, unterstützende Elemente für hörbehinderte Besucher. Der Server besitzt einen eigenen, ohne Kennwort-Identifizierung nutzbaren Accesspoint, über welchen sich alle interessierten Kinobesucher mit Hilfe ihres Smartphones und eines angeschlossenen handelsüblichen Kopfhörer mit dem System verbinden und dann den laufenden Tonspur-Stream anhören können. Zur Nutzung des Service ist eine kleine App erforderlich, welche es derzeit sowohl für IOS- wie auch für Android-Geräte gibt, und die man im jeweiligen Store kostenlos downloaden kann.

Ein paar Worte zur Handlung des Films

Max ist zehn, dick, blass und trägt Brille. Trotzdem ist er in seinem tiefsten Inneren ein echter Indianer. Und deshalb kleidet er sich auch wie ein Häuptling. Auf diese Art kommt er besser damit klar, dass Papa vor kurzem ausgezogen ist. Als Max eines Tages davon erfährt, dass man bei den Karl-May-Festspielen einen Darsteller für Winnetous Sohn sucht, sieht er seine Chance gekommen. Doch der Weg dorthin ist steinig und schwer, und nur zu schaffen, wenn ausgerechnet Morten, der Indianer voll dämlich findet, ihm dabei behilflich ist.

Ein Junge setzt alles daran, die Rolle von Winnetous Sohn bei den Karl-May-Festspielen zu bekommen. In ein sympathisches Abenteuer verpackter Jugendfilm, der sich augenzwinkernd vor Karl May verneigt.

Neues Kinoerlebnis mit CinemaConnect

Aktuell 56 und seit meinem 10. Lebensjahr vollständig blind, schätze ich schon seit geraumer Zeit die Vorzüge von Kino- oder Fernsehfilmproduktionen mit zusätzlicher AD-Unterstützung. Und heute nun will mir CinemaConnect zeigen, dass dies nun auch im Kino und im Rahmen dieser ganz eigenen, vom TV vermutlich niemals erreichbaren Atmosphäre möglich ist? Da bin ich aber gespannt!

Etwa 90 Minuten später. Ich sitze immer noch auf meinem Klappsitz im "Mal Seh'n", und ich bin ob meines gerade gehabten Hörerlebnisses rauf und runter begeistert. Da passte einfach alles, angefangen von der Übertragung, die sich während der gesamten Laufzeit des Films auch nicht einen Aussetzer leistete, das hierdurch völlig unbeeinflusste und trotzdem nahtlos mögliche Erleben des mich umgebenden Zuschauerraums und dessen typischer Geräusche bis hin zu einer AD-Realisation, die in jeder Hinsicht ihresgleichen sucht. Dank CinemaConnect konnte ich heute einen Kino-Nachmittag erleben, den ich ganz bestimmt nicht so schnell vergessen werde.

Und meine Bitte an die verantwortlichen Leute beim "Mal Seh'n": Bitte macht weiter so! Euer heutiges Debut in Sachen inklusives Kino war ein absoluter Volltreffer!

Zum Autor

Martin Kirchner ist seit seinem 10. Lebensjahr vollständig erblindet. Er ist für die gemeinnützige Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte tätig. Mehr Informationen unter: www.sbs-frankfurt.de

Dieser Artikel erschien am 5.11.2015 bei culture inclusive.

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